Die Ausstellung talking.sine von Yoshida und Frank wird als toninstall angekündigt. Interpretiert man den Untertitel der Arbeit als Klangkunst oder Klanginstallation, so muß man diese Erwartung schnell fallenlassen: Das Ausgestellte ist bis auf minimale mechanische Nebengeräusche nicht hörbar.
Trotzdem geht es hier um Töne oder Klänge, schließlich besteht die Installation hauptsächlich aus präparierten Lautsprechern in unterschiedlichen Konstellationen. Und obwohl diese Lautsprecher sichtbar vibrieren, pumpen, pochen, ausschlagen,..., können wir die erwartete Lautstärke doch nicht hören.
Das Geheimnis ist schnell gelüftet: Yoshida und Frank verwenden Ton nicht als Klang, sondern als Material - sie arbeiten mit Tönen, die außerhalb unseres Hörbereichs liegen. Die sehr tiefen Frequenzen von 1-15 Hertz können nur in entsprechender Lautstärke Effekte auf den menschlichen Körper haben und auf diesem Umweg wahrgenommen werden: in Form von Unwohlsein, Übelkeit oder Kopfweh.* Die hier verwendeten Lautstärken sind dagegen harmlos.
Wir haben es also zunächst mit einem physikalischen Experiment zu tun: Es gibt da etwas, das sich durch die Luft fortbewegt und Körper zum Schwingen bringt, das ist nicht sichtbar, aber hörbar, und es gibt auch etwas, das nicht einmal hörbar ist, aber meßbar. Das Experiment von Yoshida und Frank will auf spielerische Art diese Erscheinungen sinnlich erfahrbar machen.
Jede und jeder hat heute mehrmals täglich ganz selbstverständlichen Umgang mit elektrischem Strom, UV-Strahlen, Radio- oder Mikrowellen. Dennoch verspürt man hier eine gewisse Verunsicherung: Was verursacht diese unhörbaren Kräfte und was verursachen sie, außer die Membranen auf und ab zu bewegen? Man glaubt ein Kitzeln am Zwerchfell oder etwas Druck auf den Schläfen zu verspüren und assoziiert Elektrosmog und Erdstrahlen.
Die Beschränktheit unserer Wahrnehmung schüchtert uns ein - Der Installation haftet eine Aura des Spiritistischen an - Werden hier Signale aufgefangen? und wer spricht durch diese Lautsprecher?
Die Boxen sprechen selber. Sie erlangen eine Eigenständigkeit und führen Monologe oder Dialoge in Sinuswellen, die wir nicht verstehen. talking. sine –
Begrüßt werden wir oder unbeteiligte Passanten schon durch das Schaufenster: Zwei nebeneinander an der Fensterscheibe installierte Boxen sind luftdicht mit einer Latexhaut überspannt und auf den Bürgersteig gerichtet. Sie drücken die Haut abwechselnd gegen die Scheibe und hinterlassen dabei fettige Spuren.
Das Ausdehnen und Zusammenziehen der Latexschicht soll die Bewegung des Lautsprechers, der tiefe Schallwellen produziert, für das Auge verstärken. Die Berührung der Scheibe funktioniert wiederum als Verstärkung und Akzent der Bewegung der Latexhaut.
Die Suggestivität dieser Geste geht dabei weit über das physikalische Experiment hinaus: Wir sehen etwas Ansprechendes, Kommunizierendes, Arbeitendes, Schwitzendes, fast Obszönes,...oder etwas, das verzweifelt auf sich aufmerksam machen will?
Im Innenraum erwarten uns dann zwei einander gegenüberhängende Lautsprecher, die hier in einem lautlosen Dialog stehen. Ein sehr einfacher Dialog: Der eine Lautsprecher sagt Ja und der andere Nein, mit einer menschlichen Stimme, die um einige Oktaven tiefergelegt und in die Länge gezogen ist.
Die beiden sind scheinbar gleichzeitig Sender und Empfänger und flüstern in einer fremden Sprache über unsere Köpfe hinweg oder durch uns hindurch. Nur bei geduldigem Hinschauen ist das leichte Vibrieren der Membranen zu beoachtenden.
An einer anderen Wand sehen wir schließlich kleinere Lautsprecher, die mit Würfeln aus Pappe eingekleidet sind. Sie tragen die Namen 001-gou und 002-gou und bewegen sich in gelegentlich wechselnden Rhythmen pumpend vor und zurück.
Diese sind im Unterschied zu den schon beschriebenen Objekten eher selbstgenügsam. Sie reden mit sich selbst oder hüpfen, mal gemächlich, mal hektisch. Ohne die oben genannten Elektrosmog-Syndrome in der Bevölkerung könnten sie zu beliebten Haustieren werden.
An verschiedenartigsten Personifizierungen wird es in dieser Ausstellung wahrscheinlich nicht mangeln – ebenso ist die Interpretierbarkeit der Installationen dehnbar bis unerschöpflich, wenn man zum Beispiel die moderne Kommunikation bemüht (deren Übertragungsmethoden ebenfalls unhörbar und unsichtbar sind)... worauf ich an dieser Stelle verzichten möchte.
Anke Hagemann
*ein Beispiel hierfür ist das sogenannte “sick building syndrom”, das auftritt, wenn die Klimaanlage in modernen Gebäuden die Lüftungskanäle in ihrer eigenen Frequenz zum Schwingen bringt; Menschen, die nahe der Ausgänge der Klimaanlage arbeiten, klagen über Konzentrationsstörungen, Unwohlsein etc.
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